Starke Belastungen und anhaltender Stress in Beruf und Familie können zu Erschöpfung und sogar zu einem Burnout führen. Emotional und geistig erschöpfte Menschen, die «ausgebrannt» sind, leiden nicht nur psychisch, sondern haben auch körperliche Symptome. Immer mehr PsychologInnen und PsychiaterInnen arbeiten deshalb bei der Behandlung von Burnout interdisziplinär mit Shiatsu-TherapeutInnen zusammen. Shiatsu kann eine Psychotherapie ergänzen und Burnout-Betroffene in ihrem Genesungsprozess unterstützen.
Fallbeispiel 1

Eine 38-jährige alleinstehende Abteilungsleiterin fühlt sich seit längerem erschöpft. Sie kann sich für nichts mehr begeistern und würde am liebsten immer schlafen. Legt sie sich jedoch abends hin, fällt ihr das Einschlafen schwer, und sie wacht in der Nacht oft auf. Zudem plagen sie eine konstante Unruhe und Schmerzen im ganzen Körper, die sich medizinisch nicht erklären lassen. Als der Leidensdruck zu gross wird, wendet sie sich an einen Psychologen, der ein Burnout diagnostiziert. Dieser rät ihr zu einer ambulanten Behandlung. Aufgrund ihres starken körperlichen Unwohlseins und ihrer Schlafstörungen empfiehlt der Burnout- Spezialist zudem eine Shiatsu-Therapie.
Momente der Stille
In den ersten Sitzungen spricht die Klientin nur wenig. Mit gezielten Fragen gelingt es der Shiatsu-Therapeutin, die stark kopflastige Berufsfrau während der Behandlung in ihr Körperempfinden zu leiten. Die Klientin beginnt, aufkommende Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen und zu formulieren. Dabei erfährt die Therapeutin, dass die 38-Jährige sehr gerne in die Berge fährt, jedoch keine Energie mehr dafür aufbringen kann. Sie ermuntert die Klientin, neben den Shiatsu-Behandlungen und den Sitzungen beim Psychologen täglich kurze Spaziergänge zu machen. Ausserdem zeigt sie ihr einige einfache Körperübungen, die belebend und beruhigend wirken und die sie sowohl draussen wie auch bei sich zu Hause machen kann.
Bereits nach kurzer Zeit verbessert sich die Schlafqualität der Klientin merklich. Sie wacht in der Nacht deutlich seltener auf und kann sich dadurch besser erholen. Die körperlichen Schmerzen gehen nach den Shiatsu-Behandlungen jeweils spürbar zurück, treten aber immer wieder auf, wenn die Belastung bei der Arbeit zunimmt. Die Shiatsu- Therapeutin gibt der Klientin einfache Achtsamkeitsübungen mit auf den Weg und zeigt ihr, wie sie in hektischen und überfordernden Momenten mittels tiefer Atmung ruhig bleiben kann. In der Folge gelingt es der Klientin zunehmend, das Wohlbefinden, welches sie unmittelbar nach einer Behandlung empfindet, über mehrere Tage aufrechtzuerhalten.
Begleitendes Gespräch
In der Reflexion vor und nach einer Shiatsu- Behandlung ist es für die Klientin sehr hilfreich, die während der Behandlung wahrgenommenen Bedürfnisse zu benennen und einzuordnen. In diesen Gesprächen wird der Abteilungsleiterin bewusst, wie lange sie ihre innere Stimme und die damit verbundenen tiefen Wünsche zugunsten anderer Menschen und der Arbeit ignoriert hat. Dieses Thema wird im Anschluss mit dem behandelnden Psychologen weiter vertieft.
Eine starke Frau
Als sich der körperliche Zustand der Klientin stabilisiert, beginnt die Shiatsu-Therapeutin in Absprache mit dem Psychologen, das Thema Selbstvertrauen und die Stärkung der Mitte in die Behandlung einfliessen zu lassen. Während der Körperarbeit zeigt sich der Klientin ein Bild einer starken Frau aus ihrer Vergangenheit, die sie sehr bewundert hat. Mit dem Aufkommen dieses inneren Bildes verändert sich ihr eigenes Körpergefühl. Die Abteilungsleiterin nimmt Gefühle wie Stärke und Selbstachtung in sich wahr. Das Bild der selbstbewussten Frau wird in den folgenden Sitzungen immer wieder aufgegriffen. Es wird für die Klientin zum Sinnbild von Selbstvertrauen. Nach wenigen Monaten interdisziplinären Zusammenspiels von Psychotherapie und Shiatsu geht es der Klientin deutlich besser. Dank dem neu gewonnenen Selbstvertrauen schafft sie es, berufliche Herausforderungen mit mehr Ruhe anzugehen, in hektischen Momenten innezuhalten, sich selbst mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sich wieder in der Natur zu bewegen. Mit all den getroffenen Massnahmen, insbesondere dank der besseren Selbstfürsorge, hat sich auch ihr Schlaf verbessert und die Schmerzen sind deutlich zurückgegangen.
Fallbeispiel 2

Eine 53-jährige Primarlehrerin leidet an Schwindel und häufigen Kopfschmerzen. Sie fühlt sich erschöpft, vertraut ihrem Körper nicht mehr und hat Angst, aus dem Haus zu gehen. Aus diesem Grund meidet sie zunehmend soziale Kontakte und bleibt häufig alleine zu Hause, insbesondere an den Wochenenden. Dadurch fühlt sie sich sehr oft einsam. Sie hat ausserdem die Tendenz, mit sich selbst sehr streng und diszipliniert zu sein. Wegen ihrer körperlichen Symptome sucht sie ihren Hausarzt auf. Dieser findet jedoch keine medizinischen Ursachen für ihren Zustand und überweist sie an eine Psychiaterin, die ein Burnout mit Angststörung diagnostiziert. Aufgrund der starken körperlichen Symptome und weil die Patientin ihrem eigenen Körper nicht mehr vertraut, empfiehlt die Psychiaterin zusätzlich zu ihrer Behandlung Shiatsu mit dem Ziel, die Körperwahrnehmung und das Vertrauen in den Körper wieder zu stärken.
Durchatmen können
Bei der ersten Begegnung ist der Klientin die Anspannung deutlich anzusehen. Ihr Gesichtsausdruck ist streng, der ganze Körper wirkt steif, die Schultern sind hochgezogen und die Atmung ist unregelmässig. Mit sanften Berührungen und Bewegungen beginnt die Shiatsu-Therapeutin, die stark wahrnehmbaren körperlichen Verspannungen zu behandeln, damit sich die Klientin entspannen kann. Mittels gezielter Fragen führt die Therapeutin sie in die Wahrnehmung ihres Körpers. Nach den ersten Behandlungen stellt die Klientin fest, dass es inzwischen bessere und schlechtere Tage gibt. Die Therapeutin regt sie an, jeden Tag darauf zu achten, wie sich ihr Körper anfühlt. In der Folge beobachtet die Klientin, dass sie an schlechteren Tagen eine grosse Anspannung im Oberkörper spürt, oft ihre Schultern hochzieht und oberflächlich atmet. Aufgrund dieser Beobachtung übt die Therapeutin mit ihr Entspannungs- und Atemtechniken, die sie auch zu Hause anwenden kann. Sie lernt, entspannt in den Bauch- und Brustraum zu atmen und merkt, wie das immer wieder auftretende Schwindelgefühl in der Folge abnimmt.
Empathische Gespräche
Ein integraler Bestandteil jeder Shiatsu- Therapie ist das begleitende Gespräch. Bei dieser Klientin erkennt die Therapeutin, dass es unterstützend wirkt, wenn sie ihr humorvoll und mit einer gewissen Leichtigkeit begegnet. Dadurch kann sie die Anleitungen während der Behandlung besser annehmen. Die Klientin erhält weitere Hilfestellungen für eine verbesserte Körperwahrnehmung, welche sie in ihren Alltag integrieren kann. Der regelmässige Austausch über ihre Erfahrungen gibt ihr Sicherheit und Rückhalt, so dass sie ihrem Körper zusehends wieder mehr Vertrauen schenken kann. Bei diesen Gesprächen kommen auch ihre Angst und deren Auslöser zur Sprache. Es zeigt sich dabei deutlich, dass der Mangel an Vertrauen in ihren eigenen Körper entscheidend zu ihrem Rückzug aus dem sozialen Leben beigetragen hat. Dieses Thema wird in der Psychotherapie vertieft.
Sich nähren, Ressourcen benennen
Über die verbesserte Körperwahrnehmung gelingt es der Klientin in den folgenden Sitzungen zusehends, in die eigene Mitte zu finden. Gezielte Meridianbehandlungen unterstützen sie, ihre Bedürfnisse zu erkennen und auch auszusprechen. Sie erwähnt vernachlässigte Hobbies, wie beispielsweise die Gartenarbeit und ausgiebige Waldspaziergänge. Die Primarlehrerin erkennt, wodurch ihre Seele in der Vergangenheit genährt wurde und was heute in ihrem Leben fehlt. Sowohl in der Psychotherapie als auch im Shiatsu werden mit der Klientin Strategien für eine Rückkehr zu geliebten Tätigkeiten und ins gesellschaftliche Leben diskutiert. Die Klientin wird dazu angeregt, sich wieder mit Freunden und Bekannten zu treffen, vor allem an den für sie so einsamen Sonntagen. Sie setzt dies um und findet auch wieder den Mut, im Wald spazieren zu gehen. Dank der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Psychiaterin und Shiatsu-Therapeutin fühlt sich die Klientin gut aufgehoben, umfassend betreut und ernst genommen und findet Schritt für Schritt den Weg zurück in ein erfülltes Leben.